Wie sieht Reykjavíks Nachtleben aus. Unsere Autorin hat es herausgefunden. (Foto: Ninia Binias)
Wir sitzen im Hotelzimmer, die Füße unter den Decken und essen Knäckebrot mit Trockenfisch. So sieht unsere Vorbereitung auf die Partynacht in Reykjavík aus. Eine Woche sind wir hier und, so wurde uns gesagt, nur am Samstag haben wir die große Chance, das Nachtleben der Isländer kennenzulernen. Während wir auf die Uhrzeit warten, zu der es hier angemessen ist, das Haus zu verlassen, nippeln wir an kleinen Weinflaschen aus der Hotelbar. Der Supermarktboy konnte uns leider nicht verraten, wo wir „real alcohol, like wodka“ kaufen können und nicht diese 2,5-Prozent-Plörre, die es bei ihm gab. Er wusste es einfach nicht, weil er noch viel zu jung für „real alcohol“ war.
Island ist teuer. Und Alkohol ist noch teurer. Deshalb trifft man vor ein Uhr nachts niemanden, der es mit dem Nachtleben tatsächlich ernst meint. Bevor der spaßige Teil des Abends startet, sitzen die Partypeople inkognito in den Kneipen herum und essen Burger. Wenn sie es sich leisten können. Wenn nicht, stehen sie entweder auf der Straße herum und sehen gut aus, sitzen zuhause und trinken oder sitzen in Hotelzimmern und warten darauf, dass die Kirchturmuhr einmal schlägt.
Bis dahin vertreiben wir uns die Zeit und rätseln, ob wir mit Sneakern an den Füßen überhaupt irgendwo reinkommen werden. Auf diversen Insider-Seiten im Netz haben wir gelesen, dass die Isländer super schick unterwegs sind. Wir bemalen uns die Gesichter in mehreren Schichten und hoffen, dadurch einfach von unserer praktischen Touristenkleidung ablenken zu können. „Diese Outdoor-Jacke ziehst du aber aus, wenn wir anstehen“, sagt sie. „Aber es ist kalt draußen“, beschwere ich mich. „Die Jacke ziehst du aus.“
Irgendwann ist es endlich ein Uhr und wir gehen los. Unser erstes Ziel ist eine Bar, bei der Damon Albarn einmal Miteigentümer war und Björk angeblich Stammgast ist. Unser erstes Ziel heißt „Kaffibarinn“. Der Laden liegt in der Laugavegur. So wie alle anderen Läden in Reykjavík. Das Nachtleben konzentriert sich komplett auf eine einzige Straße. Ab ein Uhr laufen betrunkene, aufgetakelte Menschen die Laugavegur rauf und runter, während sich riesige Jeeps mit Schneeketten die schmale Straße hinunter schlängeln. Die ganze Nacht.
Wir holen uns zwei Drinks und setzen uns an einen freien Tisch. Noch wirkt der Club wie eine normale Kneipe, was er tagsüber auch ist. Wenn es spät genug ist, werden die Tische weggeräumt, ein DJ stellt sich an den Rand und Menschen tanzen einfach dort, wo sie gerade stehen. Wir sind sofort mittendrin. Menschen reden mit uns, wir schütteln dem Basketball-Nationalteam die Hände und beantworten alle fünf Minuten die Frage, wie man denn im schönen Deutschland auf die Idee kommen würde, ausgerechnet nach Island zu fahren.
Am Ende der Nacht sind wir etwa zwanzig Mal die Laugavegur entlang gelaufen, haben mit unzähligen Menschen gequatscht, die vor Kneipen anstehen, um drinnen zu House oder Oldschool-HipHop zu tanzen, nur um am Ende wieder auf einen letzten Drink im „Kaffibarinn“ zu landen. Es ist so einfach. Die besten und auch die einzigen Läden einer Stadt, versammelt in einer Straße, und nach kürzester Zeit ist man wieder zuhause. In Reykjavík musst du nicht überlegen, wo du abends hingehst. In Reykjavík gibt’s nur die Laugavegur. Und dort kannst du dich einfach treiben lassen.